M 5.2 Auswahl einer geeigneten Netz-Topographie
Verantwortlich für Initiierung: Leiter IT
Verantwortlich für Umsetzung: Netzplaner, Leiter Haustechnik
Unter der Topographie eines Netzes wird die rein physikalische Struktur
eines Netzes in Form der Kabelführung verstanden. Im Gegensatz dazu handelt es
sich bei der Netz-Topologie um die logische Struktur eines Netzes. Die
Topographie und Topologie eines Netes sind nicht notwendig identisch. Die
Topographie orientiert sich naturgemäß fast immer an den räumlichen
Verhältnissen, unter denen das Netz aufgebaut wird. Dies sind u.a.:
- Standorte der Netzteilnehmer,
- verfügbarer Platz für Trassen und Kabel (M
1.21 Ausreichende Trassendimensionierung),
- erforderliche Kabeltypen ( M 1.20 Auswahl
geeigneter Kabeltypen unter physikalischmechanischer Sicht),
- Anforderungen an den Schutz von Kabeln (M
1.22 Materielle Sicherung von Leitungen und Verteilern).
Nachfolgend werden die Vor- und Nachteile möglicher Topographien aufgeführt.
Weitere denkbare Topographien, die an dieser Stelle nicht genannt sind, können
als Spezialfall der betrachteten Strukturen aufgefaßt werden.
Im allgemeinen können zwei Grundformen unterschieden werden: der Stern und
der Bus. Daraus lassen sich als Erweiterungen aus dem Stern eine baumförmige
Struktur und aus dem Bus eine ringförmige Struktur ableiten. Diese vier Formen
werden im folgenden kurz dargestellt:
Stern
Bei einem Stern sind alle Teilnehmer des Netzes über eine dedizierte Leitung
mit einem zentralen Knoten verbunden. Die häufig anzutreffende
Token-Ring-Architektur wird topographisch als Stern verkabelt, bildet
topologisch jedoch einen Ring.
Die Vorteile:
- Die Beschädigung einer Leitung beeinträchtigt nur den Betrieb des daran
angeschlossenen Systems.
- Änderungen der Zuordnung von Netzteilnehmern zum Anschlußpunkt am zentralen
Knoten sowie Trennungen einzelner Teilnehmer lassen sich zentral
durchführen.
- Mit einer Sternverkabelung können alle denkbaren logischen Topologien
nachgebildet werden.
Die Nachteile:
- Bei einem Ausfall des zentralen Knotens fallen alle angeschlossenen
IT-Systeme aus.
- Durch die Einzelanbindung jedes Teilnehmers an den zentralen Knoten ist ein
hoher Kabelaufwand erforderlich.
- Mit zunehmender Zahl individueller Leitungen wächst die Gefahr des
Übersprechens.
- Durch die sternförmige Verkabelung können Reichweitenprobleme in
Abhängigkeit vom verwendeten Kabeltyp und vom eingesetzten Protokoll auftreten
(vgl. M 5.3 Auswahl geeigneter Kabeltypen aus kommunikationstechnischer Sicht).
In diesem Fall können Verstärker (Repeater) eingesetzt werden, was jedoch u. U.
bei einer hohen Zahl von Leitungen sehr kostenintensiv ist. Hinzu kommt, daß
nicht beliebig viele Verstärker in eine Leitung geschaltet werden dürfen. Dies
ist ebenfalls vom verwendeten Protokoll abhängig. Eine andere Möglichkeit ist
hier der Übergang zu einer baumförmigen Struktur.
Baum
Eine Baumstruktur entsteht durch die Verbindung mehrerer Sterne. In diesem
Fall werden die Netzteilnehmer zu Gruppen zusammengefaßt, die an dezentrale
Netzknoten sternförmig angeschlossen werden. Diese dezentralen Netzknoten sind
wiederum über eine Leitung oder mehrere dedizierte Leitungen miteinander
verbunden. Unter Umständen werden auch alle dezentralen Netzknoten an einem
zentralen Netzknoten zusammengeführt.
Die Vorteile:
- Für den Anschluß der Systeme an die dezentralen Netzknoten gelten die
gleichen Vorteile wie beim Stern.
- Für neue Teilnehmer muß nur im Bereich des dezentralen Netzknotens neu
verkabelt werden.
- Bei entsprechender Auslegung der dezentralen Netzknoten ist ein
Datenaustausch zwischen den Teilnehmern eines solchen Knotens auch bei einem
Ausfall der anderen Knoten möglich.
- Durch die Verbindung der dezentralen Knoten untereinander über eine Leitung
reduziert sich der Verkabelungsaufwand.
- Zur Überwindung großer Entfernungen zwischen den Knoten reicht die
Verstärkung auf einer Leitung (Kostenersparnis).
- Für die Verbindung der Knoten ist der Einsatz hochwertigerer (meist
teurerer) Kabel sinnvoll, mit denen auch größere Distanzen ohne zusätzliche
Verstärkung überwunden werden können. Das bringt gegenüber den sonst
notwendigen Verstärkern Vorteile in bezug auf Ausfallsicherheit und
Kostenreduzierung.
- Eine Baumstruktur ermöglicht es, durch Vermaschung der einzelnen Knoten
redundante Verbindungen aufzubauen.
Die Nachteile:
- Bei Störung eines Übergangs zu einem anderen dezentralen Netzknoten wird
der Betrieb mit allen daran angeschlossenen Teilnehmern unterbrochen.
Bus
Bei einem Bus werden alle Netzteilnehmer an eine gemeinsame Leitung
angeschlossen. Dies geschieht im allgemeinen durch ein zentrales Kabel, an das
mit Stichleitungen die einzelnen Teilnehmer angebunden werden.
Die Vorteile:
- Die Verkabelung reduziert sich auf ein Kabel, hinzu kommen evtl. notwendige
Stichleitungen.
- Die Nachinstallation neuer Teilnehmer erfordert im allgemeinen nur geringen
Verkabelungsaufwand. Sie werden einfach an das vorhandene Buskabel
angeschlossen.
- Der Bus ist durch den Einsatz von Verstärkern einfach verlängerbar. Dabei
sind jedoch die Längenrestriktionen aufgrund des eingesetzten Kabeltyps und des
verwendeten Protokolls zu beachten (vgl. M 5.3 Auswahl
geeigneter Kabeltypen aus kommunikationstechnischer Sicht).
- Ressourcen können an nahezu beliebigen Stellen am Bus angeschlossen
werden.
- Eine Busverkabelung erfordert durch das zentrale Kabel deutlich weniger
Platz als eine vergleichbare Sternverkabelung mit TP-Kabel.
Die Nachteile:
- Störungen, die auf das Kabel wirken, beeinträchtigen den gesamten Bus.
- Unterbrechungen des Buskabels bringen den gesamten Datenverkehr zum
Erliegen.
- Ab einer gewissen maximalen Länge und einer bestimmten Anzahl von
Teilnehmern ist keine einfache Erweiterung des Busses mehr möglich.
- Abhängig vom Kabeltyp müssen Restriktionen beim Anschluß neuer Teilnehmer
beachtet werden (z. B. der Mindestabstand zwischen zwei Teilnehmern).
Ring
Der Ring ist aus topographischer Sicht ein Bus, dessen beide Enden
miteinander verbunden sind. Eine Sonderform des Rings besteht in der doppelten
Ausführung als Doppelring, wie sie z. B. bei FDDI Verwendung findet.
Die Vorteile:
- Der Ring kann bei einer Leitungsunterbrechung mit gewissen
Beeinträchtigungen weiterarbeiten. Die Art der Beeinträchtigung hängt vom für
den Ring verwendeten Netzzugangsprotokoll ab. Beeinträchtigungen können z. B.
Bandbreitenverluste sein.
- Die mögliche Ausführung als Doppelring ermöglicht eine zusätzliche
Redundanz bzw. Fehlertoleranz.
Die Nachteile:
- Die verfügbaren Protokolle für Ring- und Doppelringsysteme sind beschränkt,
d. h. es können nicht alle Protokolle auf diesen eingesetzt werden. Dies kann
sich für die zukünftige Weiterentwicklung des Netzes nachteilig auswirken.
Collapsed und Distributed Backbone
Ein Collapsed Backbone ist eine spezielle Ausprägung eines
Netzknotens, der innerhalb seiner Backplane (eine lokale
Hochgeschwindigkeitsverbindung innerhalb eines Gerätes) eine der o. g.
Strukturen oder eine Mischform daraus realisiert. Bei einem Collapsed Backbone
werden alle Kabel zentral zu einem Netzknoten geführt, so daß es sich im
Prinzip um eine Sternverkabelung handelt. Innerhalb des Netzknotens können nun
die unterschiedlichsten Strukturen unterstützt werden. So werden beispielsweise
bei einer Baumstruktur die nötigen Verbindungswege zwischen den dezentralen
Sternen durch sehr kurze Verbindungen innerhalb des Netzknotens realisiert.
Die Vorteile:
- Alle Kabelanschlüsse können zentral kontrolliert und verwaltet werden.
- Es werden im allgemeinen hohe Übertragungsraten in der Backplane erreicht.
Hierdurch steht, je nach Produkt, zwischen den Segmenten die volle
Netzbandbreite zur Verfügung. Die
Nachteile:
- Bei einem Ausfall des Collapsed Backbones fallen alle Netzzugänge aus.

Bei einem Distributed Backbone sind
die einzelnen Netzkomponenten, die zum Backbone gehören, räumlich verteilt und
werden durch die normale Netzinfrastruktur gekoppelt. Topographische Bäume
werden beispielsweise im allgemeinen durch einen Distributed Backbone
realisiert.

Bei der Auswahl einer geeigneten Netztopographie kann, wie bereits eingangs
erwähnt, keine allgemeingültige Empfehlung gegeben werden. Solch eine
Entscheidung wird u. a. immer stark durch bauliche Gegebenheiten beeinflußt.
Allgemein üblich ist heute bei Neuinstallationen eine strukturierte Verkabelung
in Stern- oder Baumform. Hierbei ist es sinnvoll, im Backbone-Bereich (Primär-
und Sekundärbereich) Lichtwellenleiter und für die Etagenverkabelung
(Tertiärbereich) Twisted-Pair-Kabel mind. der Kategorie 5 zu verwenden. Mit
Primärbereich wird dabei der Bereich der Kabelführung, der Gebäude miteinander
verbindet, bezeichnet und mit Sekundärbereich die Verkabelung zur Verbindung
der aktiven Netzkomponenten einzelner Abschnitte innerhalb eines Gebäudes (z.
B. zur Verbindung von Stockwerken).
Die Wahl dieser Medien für die einzelnen Bereiche gewährleistet aus heutiger
Sicht eine zukunftssichere Verkabelung, die auch höheren
Bandbreitenanforderungen v. a. im Backbone-Bereich gerecht wird. Im Einzelfall
ist jedoch auch zu prüfen, ob es sinnvoll oder notwendig ist, eine Mischform
aus Stern- und Ringverkabelung zu installieren. Hier bietet sich häufig die
Möglichkeit, die Primärverkabelung zwischen Gebäuden als FDDI-Doppelring und
die Sekundär- und Tertiärverkabelung wie o. g. als Stern- oder Baum
auszuführen.
© Copyright by Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik 2000
.